Staudenhof

30. Mai 2016

Potsdamer Neueste Nachrichten

Grünanlage mit Krater

von Holger Catenhusen

Hiltrud Berndt führte am Sonntag im Rahmen der Ausstellung über den Staudenhof

Ja, diese Frage treibt viele Menschen um in Potsdam: "Ist das Stadt oder kann das weg?", wie die Ausstellung im "Schaufenster" der Fachhochschule dann auch betitelt war. Übersetzt in die aktuelle Stadtpolitik lautet die Frage: Ist der Komplex der Fachhochschule zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Nikolaikirche ein sinnvolles städtisches Quartier, das zu erhalten sich lohnt? Rund 13 000 Menschen haben hierauf im aktuellen Bürgerbegehren bereits mit "ja" geantwortet. Doch die Stadtpolitik will die Bauten bekanntlich schleifen. Also was ist das Schützenswerte an diesem Quartier, das Spezielle, das architektonisch Wertvolle?

 

Wer sich am Sonntag der Führung von Gartenplanerin Hiltrud Berndt über den Staudenhof anschloss, konnte zumindest einige Antworten finden. Die Potsdamerin, die in den 1970er-Jahren an der Grünplanung des Staudenhofs maßgeblich beteiligt war, berichtete von dem damaligen Konzept einer Durchgrünung des Stadtraums vom Platz der Einheit bis hin zum Alten Markt. Die Freitreppen zwischen Bibliothek und Staudenhof-Wohnblock sowie das zwischen den Treppen gelegene große Beet bildeten das stadtseitige Entree der Staudenhof-Grünanlage. Plastiken des Bildhauers Jürgen von Woyski, die jetzt nur noch zum Teil vorhanden sind, sollten die Fläche zusätzlich lebendig machen.

 

Teilweise ist das Areal bis heute quasi unterkellert. Lieferanten der umliegenden Institutionen und Geschäfte sollten mit ihren Fahrzeugen hinter der Nikolaikirche in so eine Art Hochkeller fahren und auf diese Weise unterirdisch ihre Waren abliefern. Doch die ursprüngliche Idee der gesamten Unterkellerung des Staudenhofs wurde, wie Hiltrud Berndt berichtete, unter anderem aus Kostengründen nicht verwirklicht. Ein Teil der Zufahrt ist daher bis heute von oben einsehbar. Der Blick vom Staudenhof hinunter in das Kellergeschoss ist – nun ja, noch milder kann man es nicht beschreiben – eine ziemliche Zumutung für die Augen. Auch Berndt sagt über diesen gebauten Krater: "Das ist natürlich keine Lösung für die Zukunft."

 

Was sich unmittelbar neben diesem hässlichen Stadtkrater anschloss, ist vielen Potsdamern sicherlich noch in Erinnerung: Ein moderner und doch zugleich opulenter Brunnen des vor wenigen Jahren gestorbenen Stahnsdorfer Metallgestalters Christian Roehl bildetet einst den Abschluss der Staudenhof-Anlage zum Alten Markt hin. An den einstigen Brunnen erinnern hier heute nur noch die Austrittslöcher der Wasserrohre.

 

Gestaltet wurde das Areal von Staudenhof und Fachhochschulgebäude in den 1970er-Jahren. Maßgeblicher Architekt für den Gebäuderiegel – in dem früher das Institut für Lehrerbildung residierte – war Sepp Weber. Ein markantes Zeichen des Hauses sind die vertikalen Betonstreben an der Fassade, in der Fachsprache nennt man sie Lisenen. Ob das nun alles, sofern noch vorhanden, weg kann, soll oder muss, darüber lässt sich vortrefflich streiten.



Staudenhof

26. Mai 2016

Der Wohnblock am Staudenhof

Wird in der Kommunalpolitik über den Staudenhof diskutiert, ist meist der Wohnblock zwischen Staudenhof um der Straße Am Alten Markt gemeint. Errichtet wurde das L-förmige Gebäude im Erdgeschoss in den Jahren 1971 und 1972.

 

Der mit dem Leitbautenkonzept 2010 beschlossene Abriss des Staudenhofblocks ist umstritten, weil damit 184 zumeist kleine Wohnungen mit günstigen Mieten verloren gehen. Abrissbefürworter argumentieren, die Mieten stiegen mit der sonst nötigen Sanierung erheblich.

 

2012 beschlossen die Stadtverordneten auf Antrag der Rathauskooperation eine "Restnutzung" des Hauses bis 2022. Für die bis dahin verbliebenen Mieter soll „vorzugsweise am Standort“ bezahlbarer Ersatzwohnraum geschaffen werden.

 

Die Fotografin Kathrin Ollroge hat 2011 Anwohner des Staudenhofs porträtiert. Einige ihrer großformatigen Arbeiten werden am Wochenende in der Ausstellung "Ist das Stadt oder kann das weg?" im Schaufenster der Fachhochschule, Friedrich-Ebert-Straße 4, gezeigt.

 

Eine Führung mit Hiltrud Berndt durch den Staudenhof gibt es am Sonntag um 11.30 Uhr im Programm dieser Ausstellung. Die Ausstellung ist Sonnabend ab 20.30 Uhr und Sonntag von 10 bis 21 Uhr geöffnet.

Märkische Allgemeine

Abschied vom Staudenhof

Hiltrud Bernd war in den 1970er Jahren die verantwortliche Grünplanerin bei der Gestaltung des Staudenhofs. Nun beobachtet sie den Verfall. Mit der Umsetzung des Leitbautenkonzepts zur Wiederherstellung der historischen Straßenzüge wird der grüne Korridor zwischen dem Platz der Einheit und dem Alten Markt verschwinden

Volker Oelschläger

Potsdam/Innenstadt. Ursprünglich sollte der Staudenhof größer sein; ein Hochplateau entlang der früheren Kaiserstraße vom Platz der Einheit bis vor zum Alten Markt. Der Name war nach Erinnerung von Hiltrud Berndt (71) nicht Reminiszenz an den Stauden-züchter Karl Foerster (1874-1970), unter dem die Freundschaftsinsel am anderen Ende des Alten Marktes zum Landschaftsgarten wurde. Die Bezeichnung begründete sich vielmehr mit den Pflanzen, die zur Gestaltung des kleinen Parks möglich gewesen wären. Denn das Hochplateau sollte ursprünglich der Dachgarten eines riesigen unterirdischen Komplexes mit Tiefgaragen und Zivilschutzbunkern sein. Doch das war vor ihrer Zeit.

 

Hiltrud Berndt hatte nach dem Abitur in Löbau Landschaftsgärtnerei gelernt und dann als Bauzeichnerin gearbeitet. Nach dem Studium an der Humboldt-Universität in Berlin kam die junge Ingenieurin für Freiflächengestaltung Anfang der 1970er Jahre nach Potsdam. Sie war an der Umgestaltung der Freundschaftsinsel vor den Weltfestspielen der Jugend 1973 beteiligt und an der Gestaltung der Grünanlagen im Karree Knobelsdorff-/Haeckelstraße in Potsdam-West.

 

Als sie als Mitarbeiterin des Stadtarchitekten Mitte der 1970er Jahre die Freiflächen-gestaltung des Neubaukarrees zwischen Platz der Einheit und Altem Markt übernahm, waren die Pläne für die unterirdischen Bauwerke deutlich abgespeckt. Wohl aus Kostengründen, wie sie vermutet: "Als ich die Aufgabe auf dem Tisch hatte, war es keine Tiefgarage mehr."

 

Geblieben war ein tief gelegener Wirtschaftshof, über den die Geschäfte im Parterre des Instituts für Lehrerbildung (IfL) – die Vorgängereinrichtung der heutigen Fachhochschule Potsdam – beliefert wurden. Der Staudenhof zwischen dem Anfang der 1970er Jahre errichteten Wohnblock auf der einen Seite und dem IfL (gebaut 1971 bis 1977) mit der zum Platz der Einheit hin anschließenden Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek (1970 bis 1974) war damit gewissermaßen dreigeteilt.

 

Treppen führten nun beidseits einer Bauminsel vom Platz der Einheit zum Hochparterre mit seinen Stauden, Gesträuch, Blumeninseln und Skulpturen, einem Trinkbrunnen, Wegen, Plätzen und Bänken, das zum Wirtschaftshof hin von einer Pergola begrenzt wurde. Auf der anderen Seite des Hofs endete das Plateau viel früher als ursprünglich geplant: "Wäre man wirklich bis zur Vorderkante der Kirche gegangen, wäre der Sockel der Kirche verschwunden. Auch die vier Linden zwischen der Nikolaikirche und dem Wohnblock hätten weggemusst. Ich habe argumentiert, dass wir das eigentlich nicht brauchen."

Der Platz zwischen dem Kopfbau des IfL und der Nikolaikirche blieb nun auf dem Höhenniveau des Alten Marktes. Der Wirtschaftshof wurde mit einer Mauer abgegrenzt, vor die mit der "Wasserharfe" des Stahnsdorfer Künstlers Christian Roehl (1940-2013) ein bei den Potsdamern beliebtes Wasserspiel aus Metall und Stein gesetzt wurde. Die Linden der Nikolaikirche bekamen Geschwisterbäume an beiden Seiten des Bauwerks.

 

In den 1980er Jahren folgten für Hiltrud Berndt andere Projekte. "1983 habe ich die Russische Kolonie davor bewahrt, eine Kleingartenanlage zu werden". Den Ratsbeschluss dazu habe es bereits gegeben. Doch "in letzter Minute" habe die damalige Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke (SED) die Vorlage zurückgenommen und zugestimmt, dass an Stelle des Kleingartenverbandes der VEB Grünanlagen und Bestattungswesen die Pflege der Obstgärten übernimmt.

 

Gleich danach berichtet Hiltrud Berndt von der Kirchenruine auf dem Neuendorf Anger, die für einen Zubringer zur Nutheschnellstraße abgerissen werden sollte: "Ich sollte diese Straße mit Bäumen verschönern." Doch sie habe das Projekt "vom Grundsatz in Frage gestellt und zur Rückabwicklung gebracht". Die Kirche blieb und wurde Anfang der 2000er Jahre wieder aufgebaut.

 

Ein sehr bekanntes Projekt der Nachwendezeit war die übergangsweise Gestaltung des Alten Marktes. Nach dem Abriss des Theaterrohbaus an der Alten Fahrt habe der damalige Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) gedrängt: "Das muss so schnell wie möglich bebaut werden, das sind wir den Potsdamern schuldig." Hiltrud Bernd fand für eine Übergangszeit die Lösung, den Grundriss des früheren Stadtschlosses mit Pappelbäumen zu markieren. Die Baumreihen fielen, als die Ausgrabung der Fundamente für den Wiederaufbau begann.

 

Der Staudenhof verfiel. Irgendwann "war bei dem Trinkbrunnen die erste Spitze abgeschlagen". Die Skulptur „Sitzendes Mädchen“ am Fuße des damaligen Staudenhof-Cafés wurde immer wieder beklebt und beschmiert, bis sie schließlich ganz verschwand. Heute ist von ihr nur noch der Sockel mit den zwei Ankerlöchern geblieben. Der Brunnen von Christian Roehl versiegte. Zur Bundesgartenschau 2001 wurde die Metallkonstruktion abgebaut und das Wasserbecken mit Sand gefüllt, in dem man Schilf anpflanzte.

 

Eine Kunstaktion "Verwittert - verwunschen - verwahrlost" mit Installationen, Schauspiel und Dokumentationen sollte im Spätsommer 2005 "Sitzendes Mädchen" von Jürgen von Woyski den vergessenen Platz ins Bewusstsein der Stadt zurück bringen. Doch Christian Roehl wusste da schon, dass es für seine Wasserharfe keine Wiederkehr gibt. Der tragende Metallbogen steht heute nahe dem Schillerplatz am Havelufer.

Die nachgepflanzten Linden an der Kirche "wurden gefällt, weil sie nicht historisch waren", sagt Hiltrud Berndt: "Das hat mich sehr geschmerzt. Sie waren im allerbesten Zustand." Mit dem Beschluss des Leitbautenkonzeptes zur Rekonstruktion des Innenstadtquartiers zwischen Havel und Platz der Einheit fiel 2010 die Entscheidung gegen den Staudenhof.

 

Hiltrud Berndt sitzt mit einem Milchkaffee vor dem Staudenhofcafé, das jetzt eine Begegnungsstätte für Flüchtlinge und Anwohner ist. Sie zeigt auf den Bauzaun vor dem Bildungsforum, der ungefähr die frühere Gleisführung der Straßenbahn vom Alten Markt zum Platz der Einheit markiert. Als ein Anwohner die Blumen vor dem Café gießt, stellt sie fest: "Wenn einer mit der Gießkanne kommt, heißt es, es lebt und wird als öffentlicher Freiraum wahrgenommen und angeeignet."

Das geplante Verschwinden der Parkanlage wolle sie nicht kommentieren, dafür sei sie viel zu befangen. Ersatzweise sagt Hiltrud Berndt: "Der Brauhausberg wird mich bis ins Grab verfolgen. Diese verpasste Chance, einen so wichtigen Grünzug vom Berg bis zur Havel zu erhalten. In den ersten zehn Jahren nach der Wende war das noch heilig, nicht antastbar. Jetzt wird dort alles zugebaut."