Medien-Echo

ab dem 14. Augsut 2016

Rund um das BürgerbegEhren                'kein Ausverkauf                                      der Potsdamer Mitte'



01. SEPTEMBER 2016

Potsdamer Neueste Nachrichten

Eine Frage der Fragestellung

von Katharina Wiechers, Marco Zschiec

Die Stadt erklärt das Bürgerbegehren für unzulässig. Doch ganz eindeutig scheint die Sache nicht zu sein

Die Stadt hatte sich um Geheimhaltung bemüht, sogar der Termin für die Pressekonferenz war erst am Tag selbst verkündet worden. Erst kurz vor dem Hauptausschuss sollte die Öffentlichkeit darüber informiert werden, dass das Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte für unzulässig erklärt wird – und sich das Stadtparlament somit mit dem Anliegen, für das fast 15000 Potsdamer unterschrieben haben, gar nicht erst inhaltlich befassen muss.

 

Doch zumindest zu den Initiatoren des Begehrens war die Info trotzdem durchgesickert – so konnten sie den Journalisten direkt im Anschluss an die Pressekonferenz am Mittwochnachmittag schon eine ausgedruckte Pressemitteilung übergeben. Darin erklären sie, dass sie die Bewertung der Stadt rechtlich prüfen lassen. Und sollten die Stadtverordneten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) folgen und das Bürgerbegehren für unzulässig erklären, wollen sie vor das Verwaltungsgericht ziehen. Und darauf deutet alles hin.

 

Noch Ende Juli war aus dem Rathaus ein positives Signal für das Bürgerbegehren gekommen. Der Wahlleiter hatte nach Durchsicht aller Unterschriftenlisten bekanntgegeben, dass 14 742 gültige Stimmen abgegeben wurden – 1132 mehr als für das Quorum erforderlich. Ein Bürgerentscheid schien damit wahrscheinlich, denn hätte das Stadtparlament das Bürgerbegehren inhaltlich abgelehnt, wäre ein solcher der nächste Schritt gewesen.

 

Im April hatte die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" mit dem Unterschriftensammeln begonnen. Zuvor wurde lange an der Fragestellung gefeilt, mit Unterstützung vom Verein Mehr Demokratie. Zwei Aussagen standen am Ende auf dem Zettel. Zum einen solle die Stadt keine kommunalen Grundstücke mehr in der Mitte verkaufen, zum anderen solle für den Abriss von Fachhochschule (FH), Mercure-Hotel und Staudenhof-Wohnblock keine öffentlichen Gelder eingesetzt werden. Wer diese Forderungen unterstützte, sollte unterschreiben.

 

Dennoch hat das städtische Rechtsamt gleich mehrere Punkte gefunden, an denen sie die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festmacht – und sich dies von einer Berliner Kanzlei bestätigen lassen. Unter anderem wird bemängelt, dass dem Bürger suggeriert werde, dass mit dem Begehren der Erhalt der drei Gebäude erreicht werden könne. "Tatsächlich haben aber das Eigentum an einem Gebäude und dessen möglicher Abriss nichts miteinander zu tun", so Rechtsamtschefin Karin Krusemark. Außerdem befänden sich nicht alle Grundstücke in städtischer Hand, auch könnten Fördergelder nicht einfach von der Stadt umgewidmet werden. Es werde nicht deutlich, was die Initiatoren mit "kommunalen Grundstücken" und "städtischen Eigenmitteln" meinten, darüber hinaus fehle ein sogenannter Kostendeckungsvorschlag.

 

Dass all dies auch anders gesehen werden kann, zeigt allerdings die Einschätzung von Thorsten Ingo Schmidt, Lehrstuhlinhaber für Kommunalrecht an der Universität Potsdam. Aus seiner Sicht sei die Fragestellung "hinreichend" klar – schließlich sei eindeutig, was mit dem Verkauf kommunaler Grundstücke und dem Einsatz von Fördermitteln gemeint ist. Streiten ließe sich höchstens darüber, ob städtische Gesellschaften damit auch gemeint seien, so Schmidt. "Da es in der Fragestellung aber explizit ,Die Stadt Potsdam oder von ihr Beauftragte’ heißt und die Pro Potsdam GmbH zudem eine 100-prozentige Tochter der Stadt ist, könnte das hinreichend geklärt werden." Auch dass die Stadt einen fehlenden Kostendeckungsvorschlag anprangere, halte er für "unrealistisch“. Schließlich würde bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens ja der Status quo erhalten bleiben und somit keine weiteren Kosten entstehen. "Deshalb müssen selbige auch nicht gedeckt werden." Aus Sicht des Verwaltungsexperten könnte man sogar so weit gehen und sagen, dass der Stadt mit einem Verzicht auf Erwerb und Abriss des Mercure-Hotels Kosten ersparen würden.

 

Kritik an der Entscheidung kam auch von der Potsdamer Linke. "Es überrascht mich nicht, dass man diesen Weg wählt. Es ist der bequeme Weg", sagte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Kreischef Sascha Krämer bezeichnete die Entscheidung als "herben Schlag" für die Demokratie und die politische Kultur. Die Initiative selbst reagierte "mit Verwunderung". Jakobs Vorschläge, mit denen er den Initiatoren entgegengekommen will, überzeugen sie nicht. Dass die Stadt den Fokus nun auf das "emotionale Thema Wohnungsbau" lege, sei nicht die Antwort auf die Forderung nach mehr öffentlicher Nutzung in dem Bereich, so Mitglied Steffen Pfrogner.

 

Jakobs hatte angekündigt, auf dem Grundstück der FH eine Bebauung durch die Wohnungsbaugenossenschaften zu ermöglichen und auf dem Gelände des Staudenhofs Sozialwohnungen durch die Pro Potsdam errichten zu lassen – wobei letzteres schon länger geplant ist. Am Abriss des Mercure-Hotels will Jakobs festhalten, das Projekt soll aber „erstmal“ ausgeklammert werden. Von der Linken wurden diese Vorschläge hingegen wohlwollender aufgenommen. "Wenn wir uns auf diesem Weg bewegen, können wir den Zielen des Bürgerbegehrens entgegenkommen", so Scharfenberg. Auch Sascha Krämer erkannte zumindest ein "leichtes Umdenken" bei der Stadt.



01. September 2016

Märkische Allgemeine

Initiatoren prüfen rechtliche Schritte

von Volker Oelschläger

Die Initiative "Potsdamer Mitte" hat für den Fall einer Ablehnung des Bürgerbegehrens „Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte“ rechtliche Schritte angekündigt. Die Linke kritisiert die von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geforderte Ablehnung, begrüßt aber das von Jakobs vorgestellte Alternativpaket, das Anregungen aus dem Bürgerbegehren aufnehmen soll.

Potsdam. Die Initiative "Potsdamer Mitte" hat für den Fall einer Ablehnung des Bürgerbegehrens "Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte" rechtliche Schritte angekündigt. In einer ersten Stellungnahme heißt es: Die Initiative "würde in diesem Fall die vorgetragenen Einwände rechtlich prüfen lassen und nach der Stadtverordnetenversammlung am 14. September darüber befinden, ob und in welcher Weise ... Einspruch beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, um doch noch einen Entscheid der Potsdamer Bürger zur Gestaltung der Innenstadt zu bewirken."

 

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte am Mittwoch bekannt gegeben, dass die Fragestellungen des Bürgerbegehrens gegen den Abriss des Mercure-Hotels, der alten Fachhochschule und des Wohnblocks am Staudenhof "in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen der Kommunalverfassung" entsprächen.

 

Er werde den Stadtverordneten deshalb empfehlen, das Begehren "für unzulässig zu erklären". Jakobs stellte zugleich als "Entgegenkommen“ ein Änderungspaket für den Fahrplan zum Neubau der Stadtmitte vor. Dazu zählen mehr sozialer Wohnungsbau und die Beteiligung der Pro Potsdam und Wohnungsgenossenschaften als Bauherren.

 

Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte am Mittwoch im Hauptausschuss die Empfehlung des Oberbürgermeisters, das Begehren abzulehnen. „Völlig überraschend“ sei es nicht, dass die Verwaltung die rechtliche Zulässigkeit in Frage stellt, so Scharfenberg.

 

Er begrüßte es aber „außerordentlich“, dass Jakobs mit den alternativen Vorschlägen "versucht, das inhaltliche Anliegen des Bürgerbegehrens aufzugreifen". Linken-Kreischef Sascha Krämer erklärte, mit der Entscheidung habe "die Stadt und hier vor allem der Oberbürgermeister der Demokratie und der politischen Kultur einen herben Schlag verpasst".

 

Der Verein "Mehr Demokratie" forderte am Donnerstag, die Regelungen für Bürgerbegehren im Land grundsätzlich zu ändern. Die Zulässigkeitsprüfung müsse am Anfang stehen. "So könnten Initiativen bei Zulässigkeitsbedenken noch nachbessern, ohne dass sie schon tausende Unterschriften gesammelt haben", sagte Vorstandssprecher Oliver Wiedmann. In Berlin gebe es diese Regelung, in Brandenburg hätten SPD, Linke und Grüne im Landtag beschlossen, die Regeln für Bürgerbegehren auszubauen.

 

Jakobs bedauerte am Mittwoch im Hauptausschuss, „dass uns die Initiatoren“ bei der Formulierung der Fragestellung „nicht um rechtlichen Rat gefragt haben“. Er verwies auf das erfolgreiche Bürgerbegehren zur Garnisonkirche, "bei dem das Rechtsamt wesentliche Hinweise gegeben habe", so dass "die Fragestellung auch rechtlichzulässig war".

 

Die Ernüchterung bei dem im Juli 2014 von den Stadtverordneten bestätigten Bürgerbegehren kam Monate später mit einer kleinen Anfrage der Fraktion Die Andere zur Umsetzung des Beschlusses, nach dem der Oberbürgermeister "alle für die Stadt rechtlich zulässigen Möglichkeiten" nutzen sollte, um "auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam hinzuwirken". Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 stellte die Verwaltung fest, dass "die Frage des Bürgerbegehrens – wie auch der Fragestellerin von Anfang an bekannt war – von vornherein ins Leere ging".



31. AUGUST 2016

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2016-08-31 PMND_PM Bürgerbegehren unzulä
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PRessemitteilung

Update zur Pressemitteilung vom 31. August 2016, 15:00 Uhr

Das Potsdamer Rathaus erklärt:

Bürgerbegehren "Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte" sei unzulässig

Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" nimmt zur Kenntnis, dass die Rechtsprüfung des Rathauses der Landeshauptstadt Potsdam zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Bürgerbegehren "Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte" unzulässig sei. Das geht aus einem Pressegespräch des Oberbürgermeisters Jann Jakobs am 31. August 2016 hervor.

 

Die mündlich vorgetragenen Gründe der Unzulässigkeit entstammen einer extern erstellten Rechtsexpertise, die den Stadtverordneten am 14. September 2016, jedoch nur zur Einsicht vorgelegt werden sollen. Auf die Frage der Initiative Potsdamer Mitte neu denken" nach einer schriftlichen Begründung, verhielt sich das Rathaus unschlüssig; man wolle dazu erst eine Rücksprache mit der beauftragten Anwaltskanzlei führen. Seltsam mutet an, dass einem Antrag – was das Bürgerbegehren formal ist – dem veröffentlichten Prüfergebnis keine nachzulesende Begründung folgt. Mit Übergabe der Unterschriften an den Wahlleiter am 06. Juli 2016 war unsererseits schriftlich das Angebot unterbreitet worden, bei Unklarheiten mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens in Kontakt zu treten.

 

Wir hoffen, dass die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung auf ihrer Sitzung am 14. September 2016 der daraus resultierenden Beschlussvorlage jedoch nicht folgt und stattdessen die Willensbekundung von über 14.700 Potsdamer*innen ernstnimmt und zu einem strittigen Thema der Stadtentwicklung - über die Beschlüsse der repräsentiv-demokratischen Organe hinaus - eine direkte Beteiligung der Bürger*innen möglich macht.

 

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid fügen dem Prozess der politischen Willensbildung ein direkt-demokratisches Element hinzu. Sie ermöglichen - unabhängig vom Ausgang - den zu verwirklichenden stadtplanerischen Vorhaben eine höhere Legitimität.

 

Die Stadtgesellschaft ist in der Frage der Gestaltung der Potsdamer Mitte weiterhin gespalten.

 

Sollten auch die Stadtverordneten mehrheitlich das Begehren nicht als zulässig ansehen, wäre die Legitimität für diese wichtigen Entscheidungen zur Stadtgestaltung nicht gegeben.

 

"Potsdamer Mitte neu denken" würde in diesem Fall die vorgetragenen Einwände rechtlich prüfen lassen und nach der Stadtverordnetenversammlung am 14. September 2016 darüber befinden, ob und in welcher Weise gegen die Nichtzulässigkeitserklärung Einspruch beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, um doch noch einen Entscheid der Potsdamer Bürger*innen zur Gestaltung der Innenstadt zu bewirken.



23. AUGUST 2016

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PRessemitteilung

zum Statement der Potsdamer Grünen zum Vorstoß der Pro Potsdam zum Wohnblock Am Alten Markt 10

Der Abriss von preiswerten Wohnungen ist kein Beitrag zu einer sozialen Stadtentwicklung

Am vergangenen Donnerstag traten Grünen-Kreischefin Frauke Havekost und Grünen-Vizefraktionschefin Saskia Hüneke in die Öffentlichkeit und bekundeten ihre Unterstützung für eine soziale Stadtentwicklung in der Potsdamer Innenstadt. Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" begrüßt das Eintreten für bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt ausdrücklich.

 

In völligem Gegensatz zu diesem Ziel steht allerdings das Eintreten von Bündnis 90 / Die Grünen für einen Abriss des Wohnblocks Am Alten Markt 10. Dieser Wohnblock bietet 186 preiswerte Wohnungen, die sich im Eigentum der städtischen Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam befinden. Eine umfassende Modernisierung dieser Wohnungen würde laut einer Machbarkeitsstudie der Pro Potsdam lediglich 11 Millionen Euro kosten.

 

Die Pläne für einen Abriss des Wohnblocks und eine anschließende Neubebauung mit 153 Wohnungen, die von Bündnis 90 / Die Grünen unterstützt werden, würden dagegen viel höhere Kosten verursachen. Der Abriss des Wohnblocks Am Alten Markt 10 würde laut der Machbarkeitsstudie rund 1,3 Millionen Euro erfordern, der anschließende Neubau von 153 Wohnungen würde rund 34 Millionen Euro kosten.

 

Der Abriss und Neubau würde demnach die dreifachen Kosten wie eine Sanierung des Wohnblocks Am Alten Markt 10 erfordern. Diese Kosten müssten entweder durch hohe Mieten oder durch hohe Fördergelder, die an anderer Stelle fehlen würden, kompensiert werden. Beides wäre nicht im Sinne einer sozialen Stadtentwicklung. Daher lehnt die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" den Abriss des Wohnblocks Am Alten Markt 10 entschieden ab.



14. AUGUST 2016

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2016-08-14 PMND_PM zum Engagement der Wo
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Positionsbestimmung

anlässlich des Vorstoßes von vier Wohnungsgenossenschaften und der kommunalen ProPotsdam für ihr beabsichtigtes Engagement in den Karrees 3, 4 und 5 des Sanierungsgebietes "Potsdamer Mitte"

Eine große Mogelpackung?

Auf den ersten Blick erscheint hier ein großes soziales stadt‐ und wohnungspolitisches Engagement. Vorausgesetzt, dass die Grundstücke über Erbpachten in städtischer Hand bleiben können, begrüßt "Potsdamer Mitte neu denken" den Vorstoß der Genossenschaften, entlang der Friedrich‐Ebert‐Straße geförderten Mietwohnungsbau zu errichten. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es neben bezahlbarem Wohnraum noch eine Reihe anderer klar erkennbarer Anforderungen an die Mitte einer wachsenden Stadt gibt, die bisher unzureichend Beachtung gefunden haben.

Die schöne Mitte einer lebendigen Stadt sieht anders aus

Die Vorstöße der genossenschaftlichen und der kommunalen Wohnungsgesellschaften legen offen, wie wenig ausgereift und planvoll das Leitbautenkonzept im Umgang mit öffentlichem Eigentum und Finanzen ist. Wenn Abriss funktionstüchtiger Gebäude und Privatisierung öffentlicher Grundstücke die Grundlage des Sanierungsskonzepts bilden, dann werden allgemein anerkannte stadtentwicklungspolitische Prinzipien der Stärkung vorhandener baulicher, sozialer und ökologischer Ressourcen auf das sträflichste vernachlässigt.

Die verhältnismäßig wenigen neu entstehenden Wohneinheiten stellen keinen nennenswerten Beitrag zum gravierenden Wohnraumproblem dar. Der Ort sollte für soziale Infrastruktur der wachsenden Stadt reserviert bleiben: Erweiterungen Bibliothek, der Volkshochschule, des Depots vom Potsdam-Museum, Wissenschafts- und Innovationort, ein durchgrünter öffentlicher Freiraum namens Staudenhof. Erst ein zentral gelegenes offenes Kultur-, Bürger- und Bildungszentrum bringt quirliges Leben in die Stadt; Wohnungsbau allein nicht, das ist eine irrtümliche Annahme.

Eine wachsende Stadt bringt zweifellos ein Wohnraumbedürfnis mit sich, jedoch auch ganz viele Wünsche nach einem zentralen, mittigen Ort der kulturellen, wissenschaftlichen, bildungsbegleitenden und sozialen Begegnung. Diesen Ort für nur wenige Nutzer*innen fast ausschließlich für Wohnungsbau zu reservieren, grenzt hunderttausende andere dieser Stadt aus. Das wollen wir nicht, dass will eine Stadtentwicklung der Zukunft ebenso nicht.

FH als Potenzial für Stadt und Land: Abriss = Verschwendung

Das Fachhochschulgebäude stellt ein enormes Potenzial für die Stadt und auch das Land Brandenburg dar. Hier kann die Vielfalt in Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft wie an keinem andern Ort erfahrbar gemacht werden, neue Impulse geben und zudem ein gesellschaftliches Zentrum für die wachsende Stadt entstehen.

Zu sagen, dass das jetzt etwas mitgenommen aussehende Gebäude ein städtebauliches Potential besitzt, bedeutet nicht, dass es in seinen gegenwärtigen äußeren Gestalt erhalten werden muss; im Gegenteil, der Umbau der Bibliothek zeigt, dass es prinzipielle möglich ist, aus der gleichen Bausubstanz ein Gebäude zu gestalten, das auch in der neuen Stadtplanung einen Platz haben wird.

Demgegenüber widerspricht der Abriss des im Grunde völlig intakten Gebäudekerns, ohne die Möglichkeit einer weiterführenden öffentliche Nutzung auszuloten, allen Ansprüchen an Nachhaltigkeit: sozial, ökologisch, wirtschaftlich aber auch kulturell.

Wohnungsbau möglich, aber anders

Die in den Karrees 3 und 4 geplanten Sozialwohnungen sollen nach den aktuellen Planungsüberlegungen der Stadt weitgehend an der Friedrich-Ebert-Straße entstehen, was auch bei Erhalt des Fachhochschulgebäudes möglich ist und den Intentionen des Bürgerbegehrens entspricht. Einen Grundstücksvergabevorrang kann die Bieterschaft erhalten, die an bisher nicht dafür vorgesehenen Standorten geförderten Wohnungsbau anbietet. Fraglich ist, ob solche "Vergabevorteile" von der Bieterschaft angenommen werden. Entsprechend der Antwort der Stadtverwaltung auf die Große Anfrage der Rathauskooperation sind hier 154 und an Stelle des Wohnhauses am Staudenhof 104 Sozialwohnungen vorgesehen. Das wären zusammen 258 geförderte zeitlich befristet mietpreisgebundene Wohnungen.

Nach den Möglichkeiten, die das Bürgerbegehren einräumt, würden zusammen mit den Bebauungen an der Friedrich-Ebert-Straße, den 186 Bestandswohnungen im Wohnhaus am Staudenhof und eventuell 12 neu zu errichtenden Wohnungen an der Straße Am Alter Markt etwa 300 Sozialwohnungen errichtet werden können. Bezogen auf die Errichtung mietpreisgebundener Wohnungen ist das Konzept der Stadt gegenüber den Möglichkeiten des Bürgerbegehrens ungünstiger.

Der Wohnungsneubau an der Friedrich-Ebert-Straße könnte sowohl von Genossenschaften als auch von der kommunalen ProPotsdam erfolgen. Ein Abriss öffentlicher, der Allgemeinheit dienender Gebäude und auch von einem nachgefragten Wohnungsbestand ist hier keinesfalls erforderlich. Die vielgepriesene auch aus einer gewerblichen Erdgeschossnutzung resultierende Lebendigkeit einer Stadt wird hier mit großer Wahrscheinlichkeit greifen, jedoch nicht nur allein. In den Obergeschossen ließen sich zu 100% mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen errichten. Eine Vergabe der Grundstücke in Erbbaupacht sollte den Genossenschaften entgegenkommen und zugleich Großinvestoren zum Umdenken anregen.

Die über Jahrzehnte eingenommenen Mieten im Wohnhaus am Staudenhof sind für die nötige Sanierung des Hauses einzusetzen. Die vorhandenen Wohnungsgrößen bleiben - wie es die Entwicklungen der städtischen Haushaltsstrukturen deutschlandweit zeigen – weiterhin erheblich nachgefragt.

Die Pläne der ProPotsdam bedeuten keinen Gewinn, sondern einen Verlust an preiswerten Wohnungen

Bei den Abrissplänen zum Wohnhaus am Staudenhof im Karree 5 werden 186 aus dem besonders nachgefragten Segment der kleinen Wohnungen vernichtet. Bei dieser Neubauvariante werden die dafür 104 zu errichtenden Wohnungen nur dann bezahlbar, wenn ausreichend hohe Fördersummen möglich sind. Dieses ist für den anvisierten Zeitraum derzeit völlig ungeklärt. Bei der Variante Erhalt muss dagegen nur eine Sanierungsförderung in Anspruch genommen werden. Die Gelder für die Neubauförderung könnten bei dieser Variante für Wohnungsneubau an anderer Stelle in der Stadt effektiver eingesetzt werden, womit bei gleicher Fördersumme mehr preiswerte Wohnungen geschaffen werden könnten als bei der Variante Abriss. Dies wäre ökonomisch nachhaltiger.

Völlig unklar sind die Konsequenzen für die Gestaltung dieses Quartiers. Die Neubauförderung ist an ganz konkrete Standards gekoppelt, die gestalterische Konsequenzen nach sich ziehen. Es bestehen, große Zweifel, dass das bisherige Konzept für das Karree mit den Standards für den sozialen Wohnungsbau kompatibel ist. Daher müsste sich ProPotsdam genauer erklären.

Gemeinnützigkeit ist per Steuergesetz 1990 aufgehoben worden – was wollen die Genossenschaften mit Ihrem Vorstoß bezwecken?

Die Pläne der Genossenschaften sind wiederum so vage, dass sie noch nicht beurteilt werden können. Auch hier ergeben sich die gestalterischen Probleme, die bereits für den ProPotsdam-Vorstoß gelten. Die nachempfundenen, ohne Fördermittel errichteten "Holländerhäuser" der Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 eG sind jedenfalls alles andere als preiswert.

Offen bleibt, welche Nutzungen die Genossenschaften in den Erdgeschosszonen vorsehen, nur gewerbliche, oder auch öffentliche, der Allgemeinheit dienende? Woraus schließen die Genossenschaften, dass die beschlossenen Grundsätze der Einzelgrundstücksvergabe geändert werden? Unbeantwortet bleibt auch, warum sie explizit auf das immobilienwirtschaftlich lukrativere Karree 3 und nicht auf das fast vollständig auf den geförderten Wohnungsbau ausgerichtete Karree 4 setzen. Zu bewerten ist das alles sicherlich auch mit dem Steuerreformgesetz 1990, wonach die Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts zum 31. Dezember 1989 verbunden worden ist.

Wir wollen echte Teilhabe an der Stadtentwicklung

"Potsdamer Mitte neu denken" und ihre Unterstützer*innen fordern eine Stadtentwicklung, die stärker auf Nutzungen sowie auf Teilhabe als auf rein ästhetische Fragen ausgerichtet ist. Für die weitere Entwicklung der Potsdamer Mitte fordern wir die direkte Mitsprache der Einwohnerschaft.