Medien-Echo

ab dem 01. Juli 2016

Zum BürgerbegEhren                               'kein Ausverkauf                                             der Potsdamer Mitte'



06. JuLi 2016

Märkische Allgemeine

Mercure-Befürworter übergeben kistenweise Zustimmung

von dpa

Schon seit Jahren wird in Potsdam darüber gestritten, ob das Mercure-Hotel gegenüber vom Landtagsschloss abgerissen werden soll oder nicht. Nun sind am Mittwoch 17.000 Unterschriften von Abriss-Gegnern im Potsdamer Rathaus übergeben worden. Sie könnten dafür sorgen, dass es zu einer Volksabstimmung über den möglichen Abriss kommt.

Potsdam. Die Bürgerinitiative zum Erhalt der DDR-Architektur in Potsdams Mitte hat im Rathaus rund 17.000 Unterschriften von Bürgern übergeben. Damit werde ein Bürgerentscheid über den geplanten Abriss des ehemaligen Interhotels „Mercure“, der Fachhochschule und eines Wohnblocks in der historischen Mitte beantragt, sagte Initiativensprecher André Tomczak am Mittwoch.

 

Nach Prüfung der Unterschriften soll voraussichtlich im September über die Gültigkeit des Bürgerbegehrens entschieden werden. Wenn mindestens 13.600 Unterschriften gültig sind, muss sich das Stadtparlament mit den Forderungen befassen. Falls die Stadtverordneten diese ablehnen, kommt es zum Bürgerentscheid.

Eine Mehrheit im Stadtparlament steht hinter den Plänen der Stadtspitze um Bürgermeister Jann Jakobs (SPD), die drei Gebäude aus DDR-Zeiten rund um das wiedererrichtete Landtagsschloss abzureißen. Anschließend soll mit Neubauten eine Annäherung an das historische Stadtbild erreicht werden. Anstelle des Hotels soll der Lustgarten der preußischen Herrscher als "Wiese des Volkes" wieder erstehen. Dagegen gibt es bei vielen Potsdamer Bürgern erheblichen Widerstand.



06. JuLi 2016

Potsdamer Neueste Nachrichten

Potsdam entscheidet im September über Bürgerentscheid

Initiative überreicht 17.000 Unterschriften

von Christiana Denz

 

Mehr als eigentlich nötig: Die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ hat rund 17.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren gesammelt. Nach der Sommerpause beschäftigen sich die Stadtverordneten mit dem Anliegen.

Potsdam - Über den Bürgerentscheid der Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" werden die Stadtverordneten erst nach der Sommerpause entscheiden. Auf der ersten Sitzung am 14. September stehe das Bürgerbegehren und seine Forderung nach Erhalt der DDR-Architektur im Herzen der Landeshauptstadt auf der Tagesordnung, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung am Mittwoch auf epd-Anfrage.

 

Der Wahlleiter Matthias Förster wird die Unterschriften für das #Bürgerbegehren in #Potsdam jetzt prüfen @PNN_de pic.twitter.com/tqA8V1sfIf

— Katharina Wiechers (@KathiWiechers) 6. Juli 2016

 

Die Abgeordneten würden zunächst darüber befinden, ob das Begehren formal zulässig ist, im Anschluss erfolgt die politische Aussprache. Lehnen die Stadtverordneten das Begehren ab, muss es in Brandenburg binnen acht Wochen automatisch zum Volksentscheid kommen. Letzter möglicher Wahltermin für eine Abstimmung sonntags wäre dann der 6. November. Wahlberechtigt sind aktuell über 136.000 Bürger. Für den Erfolg des Entscheids reicht eine einfache Mehrheit aus, allerdings müssen mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten mit "Ja" stimmen, wie der Sprecher erläuterte.

 

Genau 17017 Unterschriften wurden für das #Bürgerbegehren in #Potsdam übergeben pic.twitter.com/8vtaDqPU2R

— Katharina Wiechers (@KathiWiechers) 6. Juli 2016

 

"Potsdamer Mitte neu denken": Hauptanliegen sei eine direkte Mitsprache der Bürger

Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" setzt sich für einen „respektvollen Umgang“ mit den DDR-Bauten in Potsdamers Zentrum ein. Sie würde nach eigenen Angaben sowohl einem Umbau wie auch einer Modernisierung zustimmen. Hauptanliegen sei „eine direkte Mitsprache der Bürger“ bei der Stadtentwicklung, erklärte die Initiative. Insgesamt hatte die Initiative rund 17.000 Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt, nötig waren 13.566 gültige Unterschriften.

 

Das sind sie, die rund 17000 Unterschriften für das #Bürgerbegehren in Potsdam. Gleich werden sie übergeben. @PNN_de pic.twitter.com/S1cpnLXAyJ

— Katharina Wiechers (@KathiWiechers) 6. Juli 2016

 

Mit der Übergabe der Stimmen am Mittwoch an die Stadtverordneten und den Wahlleiter der Stadt erfolgt eine Prüfung über die Rechtmäßigkeit und formale Aspekte des Anliegens. Mit dem endgültigen Stimmergebnis rechnet die Stadt bis spätestens Mitte August.

 

Der Landesverband Berlin-Bandenburg des Vereins "Mehr Demokratie" warnte bereits, das Bürgerbegehren dürfe nicht forma wegen Berührungspunkten zur Bauleitplanung für ungültig erklärt werden. Einen solchen Themenausschluss gebe es in den meisten Bundesländern nicht. Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" selbst hält einen formalen Ausschluss für unwahrscheinlich. Die Initiative habe das Verfahren "sehr sorgfältig" juristisch prüfen lassen, hatte Mitglied Frauke Röth kürzlich gesagt. (epd)



02. JuLi 2016

Märkische Allgemeine

Wie geht es in potsdams alter mitte weiter ?

von Ildiko Röd

Die zentrale Frage, wie es mit Potsdams Mitte weitergeht, bewegt die Menschen. Bei einer Bürgerversammlung, die passend in jenem Gebäude stattfand, das eigentlich weg soll, wird klar: Es ist das Alltägliche, worüber man sich Gedanken macht. Etwa über fehlende Bäume – und andere Top-Aufreger-Mankos.

Innenstadt. Die Verfechter und die Gegner der "Konkretisierung des Leitbauten-konzepts" – so der offizielle Titel für den Fachhochschul-Abriss samt anschließendem Bau der Wohnblöcke III und IV - trafen gestern Abend bei einer Bürgerversammlung zusammen. Diese fand, passend zum heiß umkämpften Thema, in einem heißen Hörsaal der Fachhochschule statt

 

Auf dem Podium saßen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sowie Stadtplanungschef Andreas Goetzmann und Sanierungsträger-Chef Bert Nicke, in dessen Zuständigkeit die Zukunft des FH-Areals fällt. Eines stellte Jakobs klar: Eine Ausschreibung der Grundstücke für die Blöcke III und IV durch die kommunale Pro Potsdam wird es erst nach der Befassung der Stadtverordneten mit dem Bürgerbegehren in der Sitzung am 14. September geben. Wie berichtet, wendet sich das Begehren gegen die Verwendung städtischer Gelder für den Abriss der FH, des Staudenhof-Wohnblocks und des Mercure-Hotels. Am Mittwoch werden die Unterschriften übergeben. Danach folgt die rechtliche Prüfung. Im September werden die Stadtverordneten das Begehren ablehnen oder annehmen. "Es bleibt abzuwarten, zu welcher Entscheidung wir dann kommen", sagte Jakobs.

 

Konkrete Defizite in der neuen alten Mitte

 

In der Diskussion ging es dann oft um konkrete Defizite, die die Menschen in der neuen alten Mitte bewegen. "Es gibt keine Bäume am Alten Markt und in der Humboldtstraße – an einem heißen Tag ist der Platz leer", beklagte die Inhaberin eines Schmuckgeschäfts in der Humboldtstraße. Dasselbe Problem drohe in den neuen Quartieren. Goetzmann erklärte das fehlende Grün mit denkmalrechtlichen Bedenken: Wo es früher keine Bäume gab, gibt es heute auch keine. "Aber früher gab es keinen Klimawandel", parierte die Frau.

 

Zum Top-Aufregerthema mauserte sich auch ein Manko, das in mehreren Wortmeldungen beklagt wurde: Fehlende Kapazitäten im Wissensspeicher am Platz der Einheit, wo die Bibliothek untergebracht ist. Hier würden Magazinräume fehlen – eine mögliche Erweiterungsoption wäre die FH. "Das höre ich heute zum ersten Mal, dass die Räumlichkeiten nicht ausreichen", sagte Jakobs. Sollte es tatsächlich Erweiterungsbedarf geben, könnte man aber das oberste Stockwerk des Hauses nutzen. SPD-Fraktionsvize Pete Heuer sekundierte dem Oberbürgermeister: Von einer Raumnot im Wissensspeicher habe er nie gehört.

 

Zum Alltag in den Blöcken III und IV hieß es am Freitag: Die vier Tiefgaragen bleiben privat. Parkplätze sollen rar bleiben, um den Verkehr möglichst draußen zu halten.

 

Forderung nach Moratorium lässt Debatte hochkochen

 

Im Gegensatz zur Bebauung an der Alten Fahrt sollen die Gebäudeentwürfe in den neuen Quartieren vor der Vertragsunterzeichnung öffentlich gemacht werden, sagte Pro-Potsdam-Chef Bert Nicke: "Am besten online." Eine breite Diskussion über die Entwürfe sei aber dann nicht mehr möglich.

 

Inhaltlich kochte die Debatte hoch, als Bürgerbegehren-Mitinitiator Steffen Pfrogner ein Moratorium für die Entwicklung des Gebiets forderte. Der Grund: Seit den ersten Beschlüssen zur Mitte seien 25 Jahre vergangen – also eine ganze Generation. Jakobs reagierte ungehalten: "Wenn man Beschlüsse herbeigeführt hat, dann kann man nicht sagen: ,Da sind jetzt andere Leute, das geht nicht mehr.’ So funktioniert das nicht." Zudem habe es in all den Jahren auch Bürgerbeteiligung gegeben.

 

Zu diesem Zeitpunkt verließ Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg wutschnaubend den Saal: "Ich kann Jakobs’ Geschwafel über Bürgerbeteiligung nicht mehr hören“, sagte er. "Ausgerechnet er hat doch eine Einwohnerversammlung noch vor Beschlussfassung zum Leitbautenkonzept Anfang Juni verhindert."



02. JuLi 2016

Potsdamer Neueste Nachrichten

Werbeschlacht um Potsdams mitte

von Matthias Mattern

Gegner und Befürworter der Pläne für das Stadtzentrum haben sich einmal mehr in Stellung gebracht. Ein Besuch in beiden Lagern

Inenstadt - Zwölf Uhr mittags an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße und Am Kanal. Bert Nicke steht etwas verloren vor der Brandschutzwand des Bildungsforums und wartet auf den Oberbürgermeister. Eigentlich wollte der Chef des Potsdamer Sanierungsträgers zusammen mit Jann Jakobs der Presse die beiden Riesenplakate vorstellen, die seit dem Morgen an der Hauswand zur Friedrich-Ebert-Straße hängen. Darauf zu sehen: Visualisierungen der Potsdamer Mitte. Anstelle der vor sich hin siechenden Fachhochschule finden sich dort Häuserzeilen, historische Fassaden zieren die Eckbauten. Auf dem Alten Markt vor dem Landtagsschloss sitzen Passanten in namenlosen Cafés unter Schirmen. Eine durchaus schöne Vision.

 

An diesem Freitag ist es aber einfach nur heiß, die Sonne brennt, der Wind pfeift über die viel befahrene Kreuzung – und schmeißt erst einmal Nickes Fahrrad um. Wer nicht kommt, ist Jakobs. "Tja, dann nicht", sagt Nicke und zuckt mit den Schultern. „Ist ja ohnehin nur ein Fototermin.“

 

Möglicherweise feilt der Oberbürgermeister noch an der richtigen Wortwahl für den Auftritt am Abend. In wenigen Stunden will er zusammen mit seinem Chefstadtplaner Andreas Goetzmann den Potsdamern auf einer Bürgerversammlung die Pläne erläutern, die zu den Plakaten an der Brandschutzwand gehören. Nicke will auch dabei sein. Möglicherweise wird ihm dort ebenfalls ein strammer Wind um die Ohren pfeifen. Gegen den geplanten Abriss der Fachhochschule und weiterer Bauten aus DDR-Zeit wie dem Hotel Mercure und dem Wohnblock "Staudenhof" macht die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ mobil – durchaus erfolgreich. 17 000 Unterschriften haben sie innerhalb von rund drei Monaten gegen den angeblichen Ausverkauf der Stadtmitte gesammelt. Schließlich soll das Areal, auf dem die Fachhochschule steht, in einzelne Parzellen aufgeteilt und an Investoren verkauft werden. Am Mittwoch will die Initiative die Stimmen übergeben und einen Bürgerentscheid beantragen. Was wäre, wenn die Gegner Erfolg hätten, die Pläne gekippt würden? Nicke will sich das wohl lieber gar nicht vorstellen. „Dann wäre die ganze Arbeit umsonst und der Stadtumbau, der 1990 begonnen wurde, wenn nicht beendet, so zumindest angehalten“, sagt er und sieht dabei etwas zerknirscht aus.

 

Aus seiner Sicht ist der Umbau des Alten Markts ohnehin beschlossene Sache und demokratisch legitimiert. Am 1. Juni dieses Jahres hatten die Stadtverordneten dem Leitbautenkonzept zugestimmt. Danach ist klar: Auf dem rund 25 000 Quadratmeter großen Grundstück sollen zwei neue Karrees entstehen, entsprechend dem einstigen Stadtgrundriss. Die Wohn- und Geschäftshäuser sollen zum Teil ihre historischen Fassaden bekommen, andere Gebäude sollen an das historische Antlitz erinnern. Wieder andere können relativ frei und modern gestaltet werden. Ein Drittel der geplanten Wohnfläche soll mietpreis- und belegungsgebunden sein.

 

Klingt eigentlich ganz gut? Das sieht Lutz Boede von der Fraktion Die Andere in der Stadtverordnetenversammlung anders: "Die Miet- und Belegungsbindung gilt ja leider nur für 20 Jahre, wenn überhaupt", sagt er und stellt einen wackligen Klapptisch vor der Fachhochschule auf. Es ist kurz nach 16 Uhr. Die Gegner des Leitbautenkonzepts bringen sich in Stellung. Boede legt noch zwei Kladden mit den Unterschriftenlisten auf den schwarzen Campingtisch. "Wir wollen ja noch ein paar Unterschriften, soll ja keiner traurig sein, dass er nicht dabei sein kann." Das Versprechen der Stadt, dass auf dem Areal von den angepeilten bis zu 400 neuen Wohnungen rund ein Drittel dauerhaft bezahlbar sein sollen, hält er für unlauter. "Am Ende werden es sowieso weniger, weil dies und das wieder nicht umsetzbar ist", sagt er und winkt ab. Inzwischen haben sich auch andere Mitstreiter der Initiative um den Klapptisch versammelt. Bei den Passanten scheint das Interesse eher gering, unterschreiben will bislang keiner.

 

Auch Inge Jahnke lässt die Unterschriftenlisten links liegen und steigt die Treppen zum Hörsaal 1 empor, wo gleich die Bürgerversammlung beginnt. Ob sie unterschrieben hat? "Nein, ich bin ja für den Abriss. Ich bin nur gekommen, um zu erfahren, was hier alles genau entstehen soll", sagt sie. Sie sei zwar keine gebürtige Potsdamerin, sei aber schon 1969 nach Potsdam gezogen. Heute allerdings lebe sie in Rehbrücke. "Was mich besonders stört, wenn ich hier immer vorbeifahre, ist die kahle Fassade an der Bibliothek. Ich hoffe einfach, dass das ganze Areal belebter wird, dass Cafés entstehen, dass das mal ein richtiges Zentrum wird", sagt sie.

 

Wenig später, gegen kurz nach 17 Uhr geht es los. Diesmal ist Sanierungsträger-Chef Nicke nicht allein. Oberbürgermeister Jakobs und Stadtplaner Goetzmann sitzen neben ihm vor den gut gefüllten, ansteigenden Sitzreihen. Etwa 100 Menschen sind da. Nach einer kurzen Rede von Jakobs ergreift Goetzmann das Wort und erläutert die Gestaltungspläne – selbstverständlich in bestem Fachchinesisch. Im Hörsaal ist es heiß und stickig, dem ein oder anderen fallen zwischendurch die Augen zu. Von Gegenwind ist nichts zu spüren, von einer gewissen Skepsis allerdings schon. In der Fragerunde wollen die Teilnehmer etwa wissen, wie gewährleistet werde, dass sich nicht wie an anderen Orten der Stadt Investoren ganze Häuserzeilen „unter den Nagel reißen“ können? Ob die geplante Tiefgarage nur für Anwohner gedacht ist? Warum auf dem Alten Markt keine Bäume gepflanzt wurden? Jakobs, Nicke und Goetzmann arbeiten sich durch die Fragen, berichten vom "ausgeklügelten" Vergabeverfahren, von zu erwartender Verkehrsbelastung, hohen Denkmalschutzauflagen. Gelegentlich gibt es, wohl von Befürwortern der Pläne, moderaten Beifall.

 

Boede und die meisten seiner Mitstreiter sitzen zusammen in einer Reihe. Sie warten noch. Erst nach einer guten Stunde Fragerunde legen sie los, stellen die Grundsatzentscheidung zur Annährungen an das historische Stadtbild infrage, warnen vor Mietexplosion und dem Ausverkauf der Stadt. Doch offenbar ist die Luft raus. Die Zustimmung ist, gelinde gesagt, verhalten. Einige, die die Hitze noch nicht ganz ermattet hat, schütteln die Köpfe, andere verlassen bereits den Hörsaal. Draußen steht die Luft, kein Wind geht, die beiden neuen Riesenplakate hängen müde in den Seilen.



30. JuNi 2016

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2016-06-30 Berliner Zeitung So soll Pdm
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Berliner Zeitung

Stadtzentrum   So soll Potsdam in Zukunft aussehen

von Jan Thomsen

Vermutlich könnte auch Lotte schon die Stadtführung übernehmen – so oft hat sie schon zugehört, wenn André Tomczak über Potsdam spricht. Doch Lotte, eine schon etwas ältere Labrador-Dame, ruht sich lieber aus und blinzelt nur, als ihr Herrchen über diesen Ort und seine vielen historischen Schichten zu schwärmen beginnt. "Es ist Wahnsinn, was hier schon entstanden ist", sagt André Tomczak.

 

Der 32-Jährige mit den dunklen Locken und der blauen Ray-Ban-Brille zeigt auf den Platz vor ihm, der wie eine römische Piazza wirkt. Rechts das Fortunaportal des Stadtschlosses, links die Nikolaikirche, davor der Obelisk, geradeaus das Alte Rathaus, rechter Hand davon der Palast Barberini. Der Alte Markt von Potsdam, die historische Mitte, präsentiert sich beinahe wieder so, wie sie noch Friedrich der Große gesehen hat.

 

Vor einem halben Jahrzehnt war dieser Platz zur Havel hin noch größtenteils eine Brache. André Tomczak ist häufig hier, stets mit Hund – einerseits als Stadtführer, andererseits als Mitinitiator und Sprecher einer Bürgerinitiative mit dem Namen "Potsdamer Mitte neu denken", die Anfang April ein Bürgerbegehren startete. Tomczak, der in Berlin Architektur und Stadtplanung studierte, sammelt dann Unterschriften gegen den Abriss dreier markanter Gebäude aus der DDR, die für ihn genauso dazugehören wie die Bauten von Knobelsdorff und Schinkel: die Fachhochschule direkt am Alten Markt, der Wohnblock Staudenhof hinter der Nikolaikirche und das Hotel Mercure, ein Hochhaus auf der anderen Seite des Landtagsschlosses, einst ein Interhotel.

 

Aktivisten wollen Bürgerentscheid

 

Die Anti-Abriss-Aktivisten – laut Tomczak eine Mischung aus Alt und Jung, eingeborenen Potsdamern und Zugezogenen, Ost- und Westlern – sind höchst erfolgreich und haben innerhalb von drei Monaten knapp 17.000 Unterschriften gesammelt. Das sind mehr als nötig, um zunächst eine Abstimmung im Stadtparlament zu erzwingen, danach auch einen Bürgerentscheid. Es wäre das erste wirkliche Basisvotum der Potsdamer über die Pläne der Stadt. Seit 25 Jahren.

 

Mit dem Bürgerbegehren haben die Initiatoren offenbar einen Nerv getroffen. Es gab zwar etliche Beteiligungsverfahren mit Diskussionen, etwa als es um den langfristig geplanten Abriss des Hotels ging – das einem Rasenstück weichen soll, großspurig „Wiese des Volkes“ genannt. Doch viele Potsdamer scheinen sich angesichts der rasanten Entwicklung ihrer Stadt nicht wirklich mitgenommen zu fühlen, sonst würden sie kaum zu Tausenden unterschreiben.

 

Schon der Schloss-Neubau war umstritten, erst recht die Wiederaufbau-Pläne für die historisch belastete Garnisonkirche. Spätestens die Debatte um das Hotel, zu DDR-Zeiten ein begehrter Ort und heute noch ein funktionierender Betrieb, brachte Schwung in den Protest. Sogar Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe, ein bekennender Preußen-Freund, wandte sich gegen die Abriss-Pläne. Es drücke sich darin eine "Verachtung gegenüber den DDR-Plattenbauten" aus, sagte er überraschend scharf.

 

Spannungsreiches Ensemble

 

André Tomczak steht auf dem Alten Markt, blickt um sich und sagt, eigentlich sei die Entwicklung hier abgeschlossen. Der Platz ist wieder ganz, er kombiniert in einem spannungsreichen Ensemble sanierte, wiederaufgebaute, historisierende und moderne Gebäude, mit je eigener Geschichte und Funktion. Die Fachhochschule etwa, in der immer noch Lehrbetrieb läuft, könnte nach den Vorstellungen der Initiative zu einem öffentlichen "Haus der Gegenwart" entwickelt werden. Tomczak spricht von einem Innovationszentrum mit Platz für Wissenschaft, Kultur, Volkshochschule, mit Cafés und begehbaren Dachgärten. Die Bürgerinitiative will jetzt nach Geldgebern suchen. Sogar die Stadtversammlung könnte hier tagen, sagt Tomcak. Platz genug ist da.

 

Das hätte allerdings eine ganz besondere Ironie. Denn die Mehrheit dieser Stadtversammlung, geführt von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), hat den Abriss der FH längst beschlossen. Im Herbst 2017 soll das vernachlässigte Gebäude verschwinden, um Platz zu machen für das „Leitbautenkonzept“.

 

Drei große Wohn- und Geschäftshäuser geplant

 

Zwischen dem Alten Markt und dem Platz der Einheit soll in ein paar Jahren wieder die Vorkriegsstruktur entstehen. Jedenfalls fast. Geplant sind drei große Quartiere mit Wohn- und Geschäftshäusern auf den alten Grundstücken. Die Stadt hofft auf Millionen-Einnahmen und sucht Investoren. An mehreren Eckgebäuden soll es "Leitfassaden" nach historischem Vorbild geben, um zumindest eine Anmutung des alten Zentrums wiederzugeben.

 

Die anderen Gebäude haben nicht ganz so strenge Vorgaben. Rund 40 Häuser sollen so entstehen mit insgesamt 600 Wohnungen, davon ein Drittel Sozialwohnungen, vor allem an der Friedrich-Ebert-Straße. "Es geht um ein Stadtquartier für alle", sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs.

 

Er ist nicht gut zu sprechen auf die Unterschriftensammlung der Abriss-Gegner. Die Stadt prüft bereits rechtliche Schritte, Jakobs befürchtet einen Stillstand in der Stadtentwicklung, wenn ein Bürgerentscheid den Verkauf der Grundstücke verbieten sollte.

 

Die kriegs- und nachkriegsverwundete Stadt Potsdam entschied sich bereits 1990 für eine "behutsame Wiederannäherung an das charakteristische, gewachsene historische Stadtbild", wie es in dem alten Beschluss heißt. Das gilt, mit Ergänzungen, Änderungen, Erweiterungen, im Prinzip immer noch. Auch wenn sich die Debatte in der Stadt längst gedreht hat. "Man kann die Diskussion nicht immer wieder von Neuem beginnen", sagt Jann Jakobs.