PRESSEMITTEILUNG

PMND

vom 25. Januar 2016

zum Dialog- und Beteiligungsverfahren Plantage / Rechenzentrum / Garnisonkirche

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Die Planungszelle und das Bürgergutachten – geeignete Instrumente für das Dialog- und Beteiligungsverfahren Plantage / Rechenzentrum / Garnisonkirche ?


Die Aussagen in Kurzfassung

 

Die Complan Kommunalberatung GmbH hat im Rahmen des Dialog- und Beteiligungsverfahrens Plantage – Rechenzentrum – Garnisonkirche die Erarbeitung eines Bürgergutachtens durch eine Planungszelle vorgeschlagen. Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" hat deshalb die Ergebnisse bereits durchgeführter Planungszellen analysiert.

 

Unser Fazit ist:   Planungszellen können durchaus interessante Lösungen hervorbringen. Die Voraussetzung für einen Erfolg ist allerdings ein Konsens über die Aufgabenstellung. Dieser Konsens ist derzeit nicht gegeben. Vor allem der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist ein Konflikt, der die Stadtgesellschaft scharf polarisiert. Unter diesen Bedingungen wäre eine Planungszelle von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die gescheiterte Planungszelle "Quartier am Tempelhofer Damm" in Berlin vom November 2013 macht deutlich, wie wichtig eine allgemein akzeptierte Aufgabenstellung ist.

 

Daher ist es notwendig, vor der Durchführung der Planungszelle den Konflikt um die Garnisonkirche zu entscheiden. Diese Frage sollte in einem breit angelegten, transparenten, ergebnisoffenen und verbindlichen Verfahren, wie einem Bürgerentscheid oder einer Bürgerbefragung, entschieden werden. Erst auf Basis dieser Ergebnisse kann eine Aufgabenstellung für eine Planungszelle erarbeitet werden.

 

Die Aussagen im Detail

 

Die Planungszelle – Konzept und Voraussetzungen

 

Die Planungszelle ist ein Konzept der Bürgerbeteiligung, das Anfang der 1970er Jahre von Peter C. Dienel an der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt wurde. Eine Planungszelle umfasst in der Regel 25 Bürgerinnen und Bürger, die durch Einwohnermeldeamt nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Unterstützt werden sie durch zwei Prozessbegleiter und einen Tagungsassistenten. Die Planungszelle bearbeitet eine konkrete Aufgabenstellung innerhalb von vier Tagen zu je acht Stunden. Die Arbeit umfasst Anhörungen von Experten, Vorträge, Ortsbegehungen und Kleingruppengespräche. Die Sacharbeit findet innerhalb von Kleingruppen aus je fünf Bürgerinnen und Bürgern statt, diese Kleingruppen werden immer wieder neu zusammengesetzt. Am Ende der Planungszelle steht ein Bürgergutachten.

 

Für die erfolgreiche Durchführung einer Planungszelle sind mehrere Voraussetzungen nötig:

  • Es muss eine klare, allgemein akzeptierte Aufgabenstellung vorhanden sein.
  • Die Planungszelle muss ergebnisoffen sein.
  • Die Durchführung muss durch einen unabhängigen Träger erfolgen. Eingriffe der Verwaltung oder von Lobbygruppen müssen ausgeschlossen sein.
  • Die Planungszelle muss alle benötigten Informationen erhalten. Daher müssen sich alle relevanten Gruppen, Experten und Institutionen an der Planungszelle beteiligen.

Außerdem wird eine Aufgabenstellung in der Regel nicht durch eine Planungszelle bearbeitet. Stattdessen arbeiten im Interesse einer größeren Repräsentativität mehrere Planungszellen parallel. Häufig werden vier parallele Planungszellen durchgeführt.

 

Erfolgreiche Planungszellen

 

Dort, wo diese Voraussetzungen gegeben waren, konnten Planungszellen durchaus erfolgreich sein. Ein Beispiel ist die Planungszelle "Kunstareal München", die vom 16. bis 26. September 2014 stattfand. Die Aufgabe des Verfahrens war eine attraktivere Gestaltung der Maxvorstadt, in der zahlreiche Kunstinstitutionen ihren Sitz haben. An dieser Aufgabe arbeiteten vier Planungszellen parallel.

 

Ähnlich erfolgreich war die Planungszelle zum "Quartier Sparrplatz" in Berlin, die vom 22. Februar bis 3. März stattfand. Hier ging es um Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in einem sozial problematischen Quartier. Auch an diesem Verfahren waren vier Planungszellen beteiligt.

 

Gescheiterte Planungszelle "Quartier am Tempelhofer Damm" Berlin

 

Dort wo diese Voraussetzungen nicht gegeben waren, sind Planungszellen gescheitert. Ein Beispiel ist die Planungszelle "Quartier am Tempelhofer Damm" in Berlin, die im November 2013 stattfand. Die drei beteiligten Planungszellen bearbeiteten einen Teilbereich des Tempelhofer Feldes. Im diesem Fall gab es keinen Konsens über die Aufgabenstellung.

 

Stattdessen schwelte ein ungelöster Konflikt über die Frage, ob Teile des Tempelhofer Feldes bebaut werden sollten oder nicht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte dennoch eine Aufgabenstellung vorgegeben, die eine Bebauung des Gebietes vorsah. Die Planungszelle durfte dann nur noch über die Dichte der Bebauung und die Art der Nutzung entscheiden.

 

Zudem war ein wichtiger Akteur des Konfliktes, die Bürgerinitiative "100 % Tempelhofer Feld", an der Planungszelle nicht beteiligt. Stattdessen wurden die Experten durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgegeben. In der Praxis standen nur Vertreter der Verwaltung und potenzieller Bauherren als Experten zur Verfügung. Durch diese Mangel konnten die Teilnehmer der Planungszelle nicht umfassend über das Thema informiert werden.

 

Am Ende hatte die Planungszelle zwar ein Bürgergutachten erarbeitet. Doch dieses Bürgergutachten fand keinerlei Akzeptanz. Stattdessen fand am 25. Mai 2014 ein Volksentscheid über die Bebauung des Tempelhofer Feldes statt, bei dem sich 64,3 Prozent gegen eine Bebauung aussprachen.

 

Fazit

 

Eine erfolgreiche Planungszelle braucht eine klare, allgemein akzeptierte Aufgabenstellung. Dieser Konsens ist im Falle des Wiederaufbaus der Garnisonkirche derzeit nicht gegeben. Stattdessen gibt es hier – wie seinerzeit am Tempelhofer Feld in Berlin - einen polarisierten Konflikt, der einen Konsens über die Aufgabenstellung verhindert. Deshalb ist es wichtig, diesen Konflikt vor der Durchführung der Planungszelle zu klären. Daher fordern wir ein breit angelegtes, ergebnisoffenes, transparentes und verbindliches Beteiligungsverfahren, wie einen Bürgerentscheid oder eine Bürgerbefragung. Nur so kann dieser Konflikt glaubwürdig entschieden werden kann. Wird die Planungszelle wie bislang beabsichtigt durchgeführt, bedeutet dies ein weiteres pro-forma-Beteiligungsverfahren, bei dem weder Gegenstand noch Verbindlichkeit festgelegt sind.