Die Beteiligungsfarce von Potsdam
oder: Wie Bürgerbeteiligung nicht ablaufen sollte
Generell wird die Durchführung von Bürgerbeteiligungsverfahren bei stadtentwicklungs-politischen Vorhaben von der Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" begrüßt. Voraussetzung für ein erfolgreiches Bürgerbeteiligungsverfahren ist allerdings, dass einige Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Das Bürgerbeteiligungsverfahren muss transparent und ergebnisoffen gestaltet werden, zudem müssen die Bürger auch tatsächlich die Möglichkeit haben, grundsätzliche Fragen zu entscheiden.
Diese Grundbedingungen waren beim Beteiligungsverfahren "Werkstatt Lustgarten" nicht erfüllt, obwohl die Bürger die Möglichkeit hatten, ihre Meinungen über das Online‐Forum, eine Infobox und per Brief einzubringen. Das Ergebnis dieser Bürgerbeteiligung war, dass nur eine kleine Minderheit den Abriss des Hotels "Mercure" befürwortete. Wesentlich mehr Bürger forderten dagegen den Erhalt des Hotelhochhauses. Konkret sahen die Ergebnisse des Online‐Dialogs wie folgt aus:
‐ Hotel Mercure erhalten: 17,3 %
‐ Hotel Mercure muss/soll verschönert werden: 2,84 %
‐ Hotel Mercure beseitigen: 9 %
‐ Geld für Wichtigeres ausgeben: 8,06 %
‐ Kritik an Stadt und Politik: 5,21 %
‐ Verkehrsplanung ändern: 5,21 %
Die anderen Beteiligungsformate zeigten eine ähnliche Tendenz.
Diese Bürgerwünsche fanden anschließend aber keinen Eingang in das Werkstattverfahren. Stattdessen wurde eine Auslobung formuliert, die völlig andere Zielvorstellungen beinhaltete. Beispielsweise wurde in der Auslobung die "Wiedergewinnung der historischen stadträumlichen Bezüge" gefordert. Während des ersten Werkstattgespräches am 29. September 2014 wurde zudem die Wiederherstellung einer Sichtachse vom Landtags-gebäude zum Neptunbecken als wichtigste Aufgabe vorgegeben. Diese Zielstellung stand in völligem Widerspruch zu den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung. Außerdem war sie eigentlich nur durch den Abriss des Hotels "Mercure" zu realisieren, und dieser wurde nur von einer kleinen Minderheit der Bürger gewünscht.
Weiterhin wurde kein offener Wettbewerb durchgeführt, zu dem alle Architekten und Landschaftsplaner zugelassen werden könnten. Stattdessen wurde ein beschränktes Werkstattverfahren veranstaltet, zu dem nur sieben Teams eingeladen wurden. Die Auswahl dieser Teams erfolgte nicht durch die Bürger, sondern in einem intransparenten Verfahren durch ein von der Stadtverwaltung eingesetztes Auswahlgremium.
Die Entscheidung über die Siegerentwürfe und weitere Empfehlungen erfolgte wiederum nicht durch die Bürger, sondern durch ein Gutachtergremium. Dieses Gremium wurde in einem intransparenten Verfahren durch die Stadtverwaltung berufen.
Das Ergebnis war ein Werkstattverfahren, bei dem der Auslobungstext, die eingeladenen Teams und das Gutachtergremium durch die Verwaltung bestimmt wurden. Angesichts dieser Voraussetzungen war es kein Wunder, dass das von der Verwaltung eingesetzte Gutachtergremium den von der Verwaltung gewünschten Abriss des Hotels "Mercure" empfohlen hat. Die Meinung der Bürger wurde durch diese Empfehlung allerdings in ihr Gegenteil verkehrt.
Daher hat die Empfehlung des Gutachtergremiums keinerlei Legitimation. Im Gegenteil: Alle bisherigen Umfragen und Abstimmungen deuten darauf hin, dass nur eine kleine Minderheit der Potsdamer Bürger den Abriss des Hotels "Mercure" wünscht. Im Rahmen der Bürger-umfrage 2014 wurde deutlich, dass das Hotel "Mercure" nur von einem Prozent der Befragten als Problem betrachtet wird. Während der Abstimmung zum Bürgerhaushalt 2015/2016 erreichte die Forderung "Kein Kauf und Abriss des Hotels Mercure" den dritten Platz. Im Januar 2015 sprachen sich bei einer Online‐Abstimmung der "Märkischen Allgemeinen" 86 Prozent gegen den Abriss des Hotels aus. Diese Fakten machen deutlich: Ein Ankauf und Abriss des Hotels "Mercure" hat keine Mehrheit in der Potsdamer Stadtgesellschaft.
Daher fordern wir ein Ende aller Spekulationen über das Hotel "Mercure". Wie wollen einen Beteiligungskultur, an deren Anfang die gemeinschaftliche Erarbeitung von Aufgabenstellungen steht. Das verstehen wir unter Baukultur!