Potsdams Mitte   für Wen?                                   Welche Mitte für Potsdams Zukunft?

Die aktuelle Diskussion über die Gestaltung von Potsdams Mitte nimmt
friedrich -Zeitschrift für BerlinBrandenburg zum Anlass, seine Leser zu Wort kommen zu lassen. Günter zur Nieden ist Architekt, er lebt und arbeitet in Potsdam.

Foto: Rüdiger Seyffer

1990, vor inzwischen einem Vierteljahrhundert, hat die Stadtverordneten-versammlung die »behutsame Annäherung« an den alten Stadtgrundriss beschlossen. Ist dieser Beschluss noch zeitgemäß? Stellt er den Willen der heutigen Stadtbevölkerung dar? Seit 1990 ist Potsdams Bevölkerung um 25 Prozent gewachsen, rund 75 Prozent der Einwohner sind umgeschichtet oder nachgewachsen. Es ist an der Zeit, inne zu halten und einen neuen Denkprozess in Gang zu bringen, der alle einbezieht!


Bisher soll im Stil einer Exekution des alten Beschlusses der bestehende, voll funktionsfähige Gebäudekompex der Fachhochschule (mit zweifellos bedauerlich vernachlässigtem Äußeren) mit hohen Kosten abgerissen werden, das jetztige Grundstück in öffentlicher Hand parzelliert und an private Investoren verkauft werden. Die Stadt spekuliert auf einen Gewinn – aber es handelt sich hier um einen Vorgang mit hohem finanziellen Risiko.
Die Chance und letztlich auch Verpflichtung der Stadt, in das Quartier neue, zeitgemäße Nutzungen für Kultur, für Wissenschaft, für Orte und Räume der lebendigen Bürgergesellschaft zu bringen, wäre vertan, wenn der damalige Beschluss so umgesetzt würde.


Für das Potsdam der Zukunft wird entscheidend sein, wie es sich in seiner Mitte entwickelt. Als Museum mit touristischen Qualitäten? Dies ist das Herz unserer Stadt. Es sollte ein Ort mit lebendigem öffentlichen Leben für alle alten und neuen Bevölkerungskreise sein. Hier kann ein modernes Quartier als Pendant zum Landtag im Schloss, zur Bebauung am Alten Markt und zur Nikolaikirche entstehen. Gerade die Kombination von Tradition, Nachkriegsmoderne und heutiger Gestaltung bietet die Chance, selbstbewusst eine geschichtlich und kulturell offene Stadt zu schaffen.

 

Für die Zukunft heißt das Motto der Städte Nachhaltigkeit: sozialver-trägliche Nutzbarkeit der Stadtquartiere, intelligent angewandte Energie und klimaneutrales Wohnen und Wirtschaften. Das erfordert neue Stadtstrukturen, Bau- und Sanierungsweisen. Muster, die bei den Fassaden des Barocks verharren, werden uns bei diesen Aufgaben der Zukunft nicht helfen. Der Komplex der Fachhochschule stellt eine Struktur und Form der jüngeren Vergangenheit dar – mit Vor- und Nachteilen. Mit seiner konstruktive Anpassungs- und Modernisierungsfähigkeit aber und seiner vollständigen Funktionsfähigkeit ist er ein gutes Pfund, mit dem man bei der Weiterentwicklung des Zentrumsquartiers wuchern kann.


Mit der Resonanz, die diese Fragen bereits in der Potsdamer Öffentlichkeit in den letzten Monaten gehabt haben, sollte jetzt ein neuer Denkprozess der weiteren Gestaltung der Potsdamer Mitte beginnen! Die Leitbilddebatte, die durch die Stadt begonnen worden ist, hat hier eine gute Chance, praktisch umgesetzt zu werden