POSITION

von                        Christian Klusemann

Gestern Zukunft - heute Geschichte

Warum einsetzen für "'DDR-Architektur'?

 

In der Nachkriegszeit errichtete Gebäude haben in der Öffentlichkeit keinen guten Stand - das gilt heute gleichermaßen für Städte in West- und Ostdeutschland.

 

Hässlich seien sie, unpassend und störend. Nicht selten werden sie zudem als "a-historisch" bezeichnet, weil sie eben nicht nur als "gesichtslos", sondern auch als "geschichtslos" empfunden werden - völlig ungeeignet, sich mit ihnen zu identifizieren.

 

Tatsächlich schuf die architektonische Moderne - vor dem Zweiten Weltkrieg noch vereinzelt, nach dem Krieg massenhaft - Bauten, die radikal mit allen vorherigen Architekturformen brachen und die, wohl zum ersten Mal in der Geschichte, von einer Mehrheit nicht mehr als "schön" wahrgenommen wurden.

 

Auch städtebauliche Ideen, die im frühen 20. Jahrhundert mit der "Charta von Athen" formuliert worden waren und die die - damals erdrückend wahrgenommene - Enge der historisch gewachsenen Städte durch weite, luftige Räume ersetzen wollten, grenzten sich eben dadurch von allem Vorherigen ab. Das Prinzip der funktionellen Trennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit führte schließlich im Zuge der Massenmobilisierung in der Nachkriegszeit zur "autogerechten Stadt".

 

Architekten und Stadtplaner, die schon vor dem Krieg von jenen Vorstellungen überzeugt gewesen waren, nutzten nach den verheerenden Zerstörungen des Bombenkriegs ihre Chance, um "endlich" neu anzufangen - und dies nicht nur auf der grünen Wiese, sondern auch auf den Trümmern der alten Städte.

 

In der DDR bestimmte häufig ideologischer Hass auf das "Alte" die Planungen, meistens auf ausgewählte Sakral-oder Herrschaftsarchitekturen, die daher - kriegszerstört oder unzerstört - zu häufig beseitigt wurden; Stadtzentren sollten in den 1960er Jahren "hell und licht" (Walter Ulbricht) werden - auch, um dort auf breiten Straßen und Plätzen politische Demonstrationen abhalten zu können.

 

Dies war jedoch nur eine "sozialistische" Ausprägung zeittypischer Vorstellungen. Schließlich existierte die DDR genau in einer Epoche, in der die städtebaulich-architektonischen Ideen der Moderne - die dem "Alten" ohnehin wenig Beachtung schenkten - international Hochkonjunktur hatten. So kamen im "Arbeiter- und Bauernstaat" Zeitgeist UND Ideologie zusammen.

 

All das erscheint vielen Menschen heute, da man die "historischen" Innenstädte wieder wertschätzt, befremdlich - und weckt aus einer subjektiven, rein auf Ästhetik bedachten Perspektive auf den ersten Blick verständliche Aversionen gegen die Architektur und den Städtebau der Nachkriegszeit. Dies gilt besonders für das Gebiet der ehemaligen DDR, wo die sprengwütige SED für alle "Bausünden" - gleichermaßen stellvertretend für die Moderne - in Haft genommen wird.

 

Natürlich können und wollen wir nicht alle gebauten Zeugen dieser abgeschlossenen Epoche konservieren. Doch unabhängig davon, ob die Nachkriegsgebäude in Ost (und West) nun "hässlich" sind (und auch darüber mag man streiten), sind sie mittlerweile in die Jahre gekommen und dadurch - über 25 Jahre nach der Wende - selbst zu (Zeit)-Zeugen der Architekturgeschichte geworden; vor allem für eine nachgewachsene, neugierige und unvoreingenommene Generation, die die DDR oder die Alte Bundesrepublik nicht mehr kennt. Und genau das macht die Nachkriegsmoderne aus dieser Warte nicht "a-historisch".

 

Dies hat nichts mit Ostalgie zu tun - und das sollte es auch nicht. Es geht nicht darum, die DDR zu beschönigen oder zu verklären. Es geht um das Verständnis von historischen Kontexten:

Wenn wir etwas erfahren wollen über politische, gesellschaftliche und soziale Hintergründe, in denen Nachkriegsbauten - insbesondere in der DDR und in Potsdam - entstanden sind, sollten wir daher genauer hinschauen und im Einzelfall abwägen, ob nicht auch eine "Bausünde" eine historische Existenzberechtigung haben kann.