LESERPOST   Dieter Lietz + Jörn Dargel in der Märkischen Allgemeinen am 21. Juni 2016 und Klaus Krüger

Es wird gestritten, dass die Fetzen fliegen Zu "Kooperation besiegelt Leitbautenkonzept" 02. Juni 2016 + "Landtagsarchitekt Peter Kulka plädiert für den Erhalt der Fachhochschule" am 11./12. Juni 2016

"Wer da bauet an der Gassen, muss die Leut auch reden lassen". Dieser Spruch ziert eine altehrwürdige Villa am Griebnitzsee. Über das ehemalige Bildungszentrum wird zur Zeit nicht nur viel geredet, sondern gestritten, dass die
Fetzen fliegen. In den Jahren nach der Wende hätte ich Hemmungen gehabt, mich als architektonischen
Mitverursacher dieses DDR-Bauwerkes zu outen, aus Angst, als Verunstalter der Potsdamer Mitte entlarvt und als Vertreter einer herzlosen Betonarchitektur von Barbara Kuster, der Sprecherin von "Mitteschön" , erschossen zu werden.

 

Inzwischen habe ich aber den Verdacht, dass sie es nicht so ganz ernst gemeint haben kann. Sonst würde Professor Kulka nicht unbeschädigt herumlaufen, denn sein als Knobelsdorff-Schloss verkleidetes Landtagsgebäude ist im Kern auch ein stabiler Betonbau. Kulka gegenüber fühle ich mich zu Dank verpflichtet, denn mit seinem Plädoyer für den denkbaren Erhalt des Gebäudes der Fachhochschule hat er meinem Selbstwertgefühl wieder etwas Auftrieb gegeben. Wobei ich gestehe, dass ich mir selbst nicht darüber im Klaren bin, ob eine Erhaltung und Integration des Gebäudes in der jetzigen Bau und Planungsphase tatsächlich noch möglich und sinnvoll wäre.

 

Die Entscheidung dürfte verdammt schwer werden und sollte kompetenten Fachleuten anvertraut werden. Günther Jauch, dem Erfinder des Begriffs "Sozialistische Notdurft-Architektur", bitte ich zu bedenken: Würde man ihm persönlich über vierzig Jahre jegliche Körperpflege versagen, würde er auch viel von seinem äußeren Liebreiz einbüßen. Und dass er jeden, der nicht für den Abriss der FH ist, als ideologisch Verblendeten einstuft, zeigt, dass er in Sachen preußischer Toleranz noch an sich arbeiten sollte.

 

Dieter Lietz, Babelsberg

Mitglied des ehemaligen Architektenkollektivs für den Gebäudekomplex Bildungszentrum/Bibliothek

 

In Wahrheit weiß keiner die Lösung, wie eine lebendige, urbane Mitte wieder entwickelt werden kann. Weder die Rathauskooperation mit ihren potemkinschen Italo -Retro-Fassaden noch die reinen Apologeten einer DDR-Kultur, die längst Vergangenheit ist.


Jöm Dargel, Berlin

 

Leserbeitrag

Städtebauliche Trugschlüsse

 

Ein Areal soll seine jüngste Geschichte verlieren, weil davor angeblich das Wohn- und Lebensumfeld schöner war. Das ist wohl zweifelhaft, weil eine erhebliche Wohn- und Gewerbedichte bestand, die heute nicht akzeptabel wäre. Wenn man historisch ehrlich sein will, angeblich für künftige Generationen, müsste man auch diesen Zustand herstellen. Mit der ehemaligen Straßenführung allein erreicht man nicht das ehemalige Raumempfinden. Die Leitbauten an den Ecken und die mit historisierenden Elementen versehenen Neubauten ergeben eine Mixtur, die später nicht verständlich sein wird. Die zeitgemäße Nutzung der Gebäude verlangt im Vergleich zu früher eine völlig andere Fassadenausbildung sowie Kubatur, so dass eben etwas Neues entsteht. Wie hat man am Leipziger Platz in Berlin um städtebauliche Details gerungen. Ein Vergleich mit den immer wieder verwendeten Fotos und Filmaufnahmen von früher lässt nicht im Geringsten historisches Nachempfinden aufkommen.

 

Ein wichtiges Argument für die Mitteschön-Version ist, mit dem Wohnen eine Belebung des Bereiches zu erreichen. Weder die Anwohner am Alexanderplatz, Potsdamer Platz noch Leipziger Platz in Berlin könnten dort diesbezüglich einen Beitrag leisten. Ohne zentrale Einrichtungen mit einer entsprechenden Frequentierung durch Besucher ergibt sich ein Feierabendbereich. Die Anziehungskraft von Museum und Galerie wird sich auch im bescheidenen Rahmen halten. Eine handelsmäßige Aufwertung dieses Bereiches steht in Erfahrung zu der B-Planung für den Hauptbahnhof in Konkurrenz zur barocken Innenstadt einschließlich Holländischem Viertel. Die Miete wird keine Tante-Emma-Läden zulassen. Insgesamt kommt die Frage auf, wo heutzutage in Potsdam die so genannte „Mitte“ ist oder nach der Neubebauung einmal sein wird. Dazu ist mir keine Diskussion bekannt.

Klaus Krüger, Potsdam

 

Klaus Krüger, Potsdam