PMND-Redebeitrag von Ekkehart Schöll auf der Stadtverordnetenversammlung am 01. Juni 2016

Ekkehart Schöll für "Potsdamer MItte neu denken" auf der SVV

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

herzlichen Dank, dass Sie einen Vertreter der Initiative Potsdamer Mitte neu denken die Möglichkeit geben unsere Bedenken vorzutragen.

 

Das Hotel Mercure, die Fachhochschule und der Staudenhof sind für uns wichtige Gebäude der Nachkriegsmoderne, typisch für die gesamte Architektur dieser Zeit. Der Abriss funktionsfähiger Gebäude ist auch finanziell, ökologisch und sozial das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

 

Nicht mehr allzu viele Potsdamer können sich noch an die unzerstörte Stadt erinnern. Viel, viel größer ist der Anteil derer, die nach dem Krieg in Potsdam aufgewachsen oder zugezogen sind, für die Potsdam das ist, wie es sich nach 1945 entwickelt hat. Auch wenn sie mit vielem unzufrieden sind ist es „ihre“ Stadt, seit Jahrzehnten vertraut.

 

Mit dem überwiegend begrüßten Wiederaufbau des Schlosses einen totalen Abbruch der Nachkriegsmoderne zu verbinden, d.h. eine ganze geschichtliche Phase der Stadt völlig auszulöschen zugunsten einer Bebauung, zu der kaum noch jemand einen Bezug hat, erscheint sehrwillkürlich.

 

Welche Aufgaben soll die Potsdamer Mitte erfüllen? Primär Wohnstandort, Zentrum für Kultur, Wissenschaft und Bildung, oder Handels- und Dienstleistungszentrum?

 

Hierzu sagt das Baugesetzbuch im § 3, Abs. 1:  Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinem Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen… und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben.

 

Diese Diskussion scheint uns unzureichend geführt. Welche Auswirkungen hat eine Nutzung primär als Wohnstandort für die Stadt, gegenüber primär einem Handels- und Dienstleistungszentrum? Welche die Privatisierung des Geländes, welche der Besitz durch die Stadt?

 

Wenn jetzt bereits Bieterverfahren auf der Grundlage der Grundstückspässe durchgeführt werden, wird die Bürgerbeteiligung im Rahmen des erforderlichen Bebauungsplanes zur Farce, weil ja schon alles vorher detailliert festgelegt ist. Dies birgt auch erhebliche rechtliche Risiken für die Stadt.

 

Die Antworten der Stadtverwaltung auf die 25 Fragen erscheinen uns wenig objektiv. Sie wurden in der Presse zu einem Kostenrisiko von mindestens 40 Mill. €. U.a. behält ein nichtverkauftes Grundstück selbstverständlich seinen Wert und kann nicht als „Kosten“ eingesetzt werden.

 

Die Kostenschätzung von 33 Mill. € für die Sanierung der FH ist willkürlich solange keine Nutzung feststeht. Der Vergleich mit dem Bildungsforum ist irreführend, weil das Gebäude fast vollständig entkernt und die Fassade völlig umgebaut wurde. Bei einer büroartigen Nutzung ( sowohl für private Dienstleistung als auch u.a. für wissenschaftl. Zwecke ) lägen die Kosten deutlich niedriger. Zudem muss für diesem Fall die eingesparten Kosten für den Abbruch abgezogen werden. Außerdem sehen alternative Konzepte auch eine Bebauung an der Friedrich-Ebert-Str. vor. Damit sieht die Bilanz erheblich günstiger aus, wobei die Stadt über einen realen Gegenwert und ein Gebäude verfügen würde, dass sie in dieser Lage jederzeit günstig vermieten oder mit Gewinn verkaufen könnte.

 

Bei einem städtischen Besitz dieses Bereichs kann die Stadt auch langfristig die Entwicklung in diesem Gebiet steuern, während ihr Einfluss bei ihrem Konzept mit dem Verkauf der Grundstücke weitgehend endet.

 

Nicht akzeptabel erscheint auch, dass 155 Sozialwohnungen entstehen sollen, deren Sozialbindung nach spätestens 20 Jahren ausläuft, während in Staudenhof unbefristet 180 Wohnungen, wenn auch kleiner, zur Verfügung stehen. Eine Modernisierung dieser Wohnungen ist in jedem Falle günstiger sein als ein Neubau.

 

Nach 25 Jahren Planung in einer Richtung, einem Bürgerbegehren, das sicherlich erfolgreich endet, sollte die Möglichkeit von Alternativen und Kompromissen geprüft und eine breite Debatte in der Öffentlichkeit geführt werden. Hierzu haben Mitglieder der Initiative Potsdamer Mitte neu denken auch Vorschläge erarbeitet, die Kompromisse zwischen den scheinbar so weit entfernten Vorstellungen ermöglichen.

 

Ein einfaches: weiter so, wäre ein Brüskierung aller, die am Bürgerbegehren teilgenommen haben, würde die weitverbreitete Politikverdrossenheit verstärken ( „Die machen sowieso, was sie wollen“ ) und wäre u.U. auch juristisch problematisch.

 

Daher bitten wir Sie ganz herzlich: fassen sie keine weiteren Beschlüsse vor Abschluss des Bürgerbegehrens und einer breiten öffentlichen Diskussion.