17. März 2016   Märkische Oder Zeitung: Wie viel Barock, wie viel Moderne?

Ulrich Thiessen

Debatte um Potsdamer Stadtbild: Wie viel Barock, wie viel Moderne?

Potsdam (MOZ) Der Nachbau des Potsdamer Stadtschlosses steht, die barocken Stadtpalais an der Havel sind fast fertig und ab 2018 soll die restliche Rekonstruktion der historischen Altstadt beginnen. Oder kommt doch noch einmal alles anders und die DDR-Bauten werden neu bewertet?

André Tomczak sitzt in der dritten Etage des ehemaligen Rechenzentrums für den Bezirk Potsdam. Der Plattenbau mit seinem Kosmonautenfries rund um das Erdgeschoss hätte längst abgerissen werden sollen. Im vergangenen Jahr besann sich die Stadt eines anderen und bot jungen Kreativen Büroräume für zunächst drei Jahre zum Betriebskostenpreis an. 100 Büros sind bereits vermietet.

 

Der 31-jährige Kunsthistoriker will, dass das Rechenzentrum auf jeden Fall erhalten bleibt - auch wenn unmittelbar daneben der Turm der Garnisonkirche wieder aufgebaut werden sollte. Er hat zusammen mit zwölf Mitstreitern, vom Architekten bis zum Busfahrer, wie er erzählt, die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" gegründet.

 

Noch eine Bürgerinitiative, die bei der Gestaltung der Innenstadt mitreden will, könnte man ob der unüberschaubaren Zahl von Vereinen und Gruppen sagen, die sich regelmäßig in Potsdam zu Wort melden. Die Forderung von Tomczak und dessen Mitstreitern geht jedoch weit über die Anliegen der anderen Gruppen hinaus. Sie fordern ein Moratorium für den Bereich vom Alten Markt bis zur Garnisonkirche. Keine weiteren Abrisse, keine historisierenden Neubauten, sondern erst eine neue Diskussion über bestehende Gebäude und deren Nutzung, lautet die Prämisse.

 

Wichtigster Streitpunkt ist das Gebäude der Fachhochschule gleich neben dem Landtag. Nach jetzigen Planungen soll es ab Ende 2017 abgerissen und die alten Straßenzüge mit kleinteiligen Parzellen wieder bebaut werden. Für die jeweiligen Ecken sind Rekonstruktionen der barocken Fassaden geplant.

 

Die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" will zwei Dinge: einerseits Nachkriegsbauten erhalten und die widersprüchliche Geschichte so erlebbar machen. Andererseits plädiert sie dafür, das große Gebäude mit der inzwischen unansehnlich gewordenen Lamellenfassade nicht für einige teure Eigentumswohnungen zu opfern, sondern es mit öffentlichem Leben neu zu füllen.

 

Tomczak denkt an ein Haus der Zukunft - ein Transferzentrum aller brandenburgischen Hochschulen, ein Gründungs- und Innovationszentrum und im Gebäudeteil am Alten Markt an ein Kongresszentrum. Lauter Zentren im Zentrum also - ein Gebäude, gefüllt mit jungen Leuten und neuen Ideen. Außerdem wehrt er sich gegen das Argument, dass der 70er-Jahrebau nicht zum Stadtschloss und zur Nikolaikirche passe und schwärmt von den vertikalen Linien in allen drei Bauten und von spannungsreichen Bezügen der Gebäude. ...